Kübra ist die Mitte

Warum, frage ich mich, war mein Smartphone der Meinung, mir die aktuelle Kolumne der von mir sehr geschätzten TAZ – Kolumnistin Kübra Gümüsay auf den Blidschirm holen zu müssen? Ich wollte das doch gar nicht. Klar, ich hätte einfach wegklicken können und die Sache wäre gegessen gewesen. Aber mit den Texten von Frau Gümüsay verhält es sich ein wenig so wie mit Unfallstellen auf der Autobahn; eigentlich möchte man nicht hingucken, die Lust sich ein wenig vor dem erwarteten Grauen zu gruseln verleitet einen aber dann doch dazu. Und am Ende wendet man sich schamvoll ab. Zumindest geht es mir so. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass ich Texte von ihr gelesen habe, dass gebe ich zu. Schon einige Male war ich auf ihrem Blog oder der TAZ – Kolumne (natürlich nur online, ohne dafür zu bezahlen!). Warum? Keine Ahnung. Irgendwie fasziniert mich ihre Perspektive, ihre Naivität und ihre kindlich geschriebenen Anekdoten. Fremdscham hat auch seinen Reiz. Und nicht zuletzt sind wir beide: people of color, Farbton: türkisch. Mich interessiert es halt, was Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutsch so von sich geben. Vor allem interessieren mich Dinge, die im weitesten Sinne was mit Politik zu tun haben und mit der eigenen Identifikation als Teil der „türkischen Community“ (whatever that is…). Frau Gümüsay ist in vielerlei Hinsicht eine noch viel interessantere Person, weil sie sich feministisch nennt, ein Kopftuch trägt, sehr religiös ist, publiziert, studiert ist und sehr viel Blödsinn schreibt und sagt. Und weil sie eine recht hohe Medienpräsenz hat. Wenn man sich also mit Themen befasst, die auch nur im entferntesten mit Deutschland und Migration zu tun haben, kommt man nicht um sie herum. Warum das so ist, ist glaub ich ziemlich leicht zu verstehen.
Wieso fühle ich mich den nun bemüßigt, mich hier über Frau Gümüsay auszulassen, habe ich doch bei den ganzen anderen schwachen Texten, die sie in der Vergangenheit fabriziert hat auch nicht gemacht. Antwort: Ich muss meine Wut über ihre ekelhafte Arroganz und ihre pseudo-weltoffene Perspektive irgendwie kanalisieren. Ihre aktuelle Kolumne ist quasi die Essenz dessen, was an ihr so falsch, verlogen und ätzend, aber nur schwer zu fassen ist, weil sie es in so ein bonbonpapiernes Wortgeschwaller verpackt. Frau Gümüsay regt sich über Extremisten auf. Und das klingt dann so:

Was wäre eine Demonstration muslimischer Extremisten ohne Publikum? Was wären die islamischen Hassprediger auf der einen Seite und Ayaan Hirsi Ali plus Henryk M. Broder auf der anderen ohne uns? Nichts. Sie brauchen uns, damit wir über sie diskutieren. Darüber, ob sie recht haben oder nicht. Ob es in Ordnung ist, wie sie sind, was sie tun und was das für Folgen haben könnte.

Zack, so schnell geht das! Auf der einen Seite „Hassprediger“ muslimischer coleur, auf der anderen Seite ihre westlichen Counterparts Ayaan Hirsi Ali und Henryk M. Broder. Irgendwie Feinde, aber im Grunde doch gleich. Boom! Noch Fragen?
Mir wird schlecht bei so viel ignoranten Selbstherrlichkeit und damit ich nicht auf mein Macbook kotzte, schreibe ich diesen Text. Eigentlich möchte ich lieber was Schönes machen, zum Beispiel schlafen. Doch es lässt mir keine Ruhe. Ich verstehe einfach nicht, wie man Ayaan Hirsi Ali und Henryk M. Broder auf eine Stufe Stellen kann mit zum Mord aufrufende, Granaten in jüdische Geschäfte schmeißende, sich auf Märkten in die Luft jagende und vollbesetzte Passagierflugzeuge ins Word Trade Center steuernde Barbaren. Was muss im Kopf eines Menschen los sein, so etwas denken zu können? Vielleicht denkt Frau Gümüsay, dass Broder für die Anschläge eines Anders Breivik mitverantwortlich ist. Oder das Ali eine ganz krasse Muslimhasserin ist, weil sie mit Theo van Gogh zusammen gearbeitet hatte und diesen Kurzfilm produzierte. Sie als gläubige Muslimin muss sich natürlich von solch einem Film extrem angegriffen fühlen. Wenn dem so ist, dann muss die Ermordung von van Gogh aus ihrer Sicht auch irgendwie gerechtfertigt gewesen sein, schließlich war er auch „Extremist“. Ihr Satz

Kauft euch ’ne schalldichte Wutbox und tobt euch dort aus, haut euch gegenseitig die Köppe ein.

lässt diese Vermutung schon beinahe zur Gewissheit werden. Ob solcher Menschenverachtung und Ignoranz fehlen mir die Worte. Es ist einfach unglaublich auf welch fatal infantile Art und Weise sie Dinge in Eins setzt und damit kritische Menschen moralisch zu den mordenden Säcken degradiert, die das Objekt der Kritik sind. Und sie ist dabei fein raus, weil sie ist ja die Moderate und zeigt mit ihrer Schlussanekdote, wie man alles lösen kann: Einfach miteinander reden. Am Besten über Essen. Die alles durchblickende Kübra Gümüsay weiß wo sie steht, nämlich in der Mitte und vermittelt zwischen den Extremen. Ein weltfremderes Selbstbild kann ich mir kaum vorstellen.

Zwischendurch schob ich Gewissensfragen ein.

Ich schiebe eine Gewissensfrage mal ans Ende: Wie kannst Du eigentlich nachts schlafen, nachdem Du deine Texte schreibst und die Ermordung von Menschen durch IslamistInnnen verharmlost und relativierst? Schämst Du dich nicht?

Gute Nacht.

Update: Jetzt gibt es ihren wunderbaren Text auch auf ihrem Blog zu bewundern.

10 Gedanken zu „Kübra ist die Mitte

  1. earendil

    Uralt. Hieß früher „scheißliberal“.

    Ansonsten: Scheißtext. Du empörst dich darüber, dass rassistische und dschihadistische Hetzer_innen auf eine Stufe gestellt werden? Sicher macht Frau Gümüsay das ziemlich naiv, ohne eine großartige politische Analyse. Aber du greifst dir genau den Punkt heraus, an dem beide ohne weiteres vergleichbar sind: Den Bodycount! Was Figuren wie Broder und Hirsi Ali propagieren und ideologisch begleiten, nämlich EU-Grenzregime und imperialistische Kriege, ist nicht weniger tödlich als dschihadistischer Terror. Aber dir fallen die mörderischen Auswirkungen dieser Hetze ja erst auf, wenn mal ein Breivik das Töten privat in die Hand nimmt! Und selbst da erscheint es dir völlig abwegig, die Hetzer_innen für „mitverantwortlich“ zu halten, wogegen du islamistische „Hassprediger“ umstandslos für den Terror verantwortlich machst. Jene sind ja keine Rassist_innen, sondern „kritische Menschen“. Nuff said.

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  2. s1r

    @earendil
    Irgendwoher kommt mir das was Du schreibst sehr bekannt vor. Treibst du dich nicht für gewöhnlich auf Rhizoms Blog rum? Würde inhaltlich passen. Auf deine „großartige politische Analyse“ bin ich echt gespannt. Aber weil ich es müßig finde auf antiimperialistische Kackscheiße einzugehen spar ich mir weitere Ausführungen. Ich les lieber noch ein paar einschlägige Texte von Ali und Broder zum EU-Grenzregime und die Durchführung imperialistischer Kriege. Vielleicht werde ich ja so aufgestachelt, dass ich morgen ne Runde morden gehe. Oder mich in die Fremdenlegion einschreibe. Hab gehört die zahlen gut.
    Update: Was haben so Leute wie Du eigentlich für einen Rassismusbegriff? Das scheint mir doch schon fast Fetischcharakter zu haben mit welcher Beharrlichkeit dieses Mantra wiederholt wird. Etwas wird nicht dadurch richtig, nur weil es oft gesagt wird.

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  3. ich

    „Etwas wird nicht dadurch richtig, nur weil es oft gesagt wird“

    Es wird nur dadurch, dass es oft gesagt wird, wertlos. Sprachliche Inflation sozusagen. Vor kurzem durfte ich erleben, dass Grundschulkinder stolz erzählten „Ich bin Rassist“. (Btw, das war nicht in Deutschland).
    Allein schon, dass man die Begriffe entwertet, weil man sie für sein Denunziantentum missbraucht und dadurch die Unterscheidung zwischen Kritik, Vorurteil und Rassismus verwischt, ist übel.

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  4. earendil

    Du bringst selber null Analyse und erwartest von mir ne Art Einführungsvorlesung zum Thema antimuslimischer Rassismus? Da bringe ich doch liebermeiner Katze Schachspielen bei, das ist erfolgversprechender. Was soll denn das bringen? Wenn du’s etwa bei Rhizom nicht kapiert hast, wirst du’s bei mir sicher auch nicht schnallen.

    Die Schiene mit der „sprachlichen Inflation“ ist auch toll. Weil Rassismus, nicht zuletzt antimuslimischer, so verflucht weit verbreitet ist, soll man ihn nicht mehr als solchen benennen? Nicht mal bei prominenten Protagonist_innen des derzeit virulentesten rassistischen Diskurses? Nee, Rassismus ist ja in dieser Gesellschaft was völlig randständiges. Das ist der Nazipöbel, aber doch nicht „Kritiker_innen“ wie Broder und Hirsi Ali.

    Wobei, dass die Nazis Rassist_innen und Antisemit_innen waren und sind, das wird ja auch dauernd wiederholt. Kann also nicht stimmen…

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  5. s1r

    @earendil
    Du hast mich offensichtlich etwas falsch verstanden. Ich kenne Rhizoms Argumentation und habe sie durchaus verstanden und kann sie intellektuell nachvollziehen. Also brauchst du nicht zu glauben, ein Vortrag deinerseits wäre notwendig. Nur halte ich diese Gedankenwelt für groben Unfug. Dein Verweis auf „imperialistische Kriege“ erübrigte für mich weitere Ausführungen zum Thema. Wir stehen uns wahrscheinlich diametral entgegen was unsere politischen Positionen betrifft. Wir werden keine Freunde. Und eine Analyse meinerseits zu Thema „Islamophobie“ und „antimuslimischer Rassismus“ ist für die Zukunft geplant. Bis dahin kannst du dich vielleicht mit diesem Text von mir begnügen http://s1r.blogsport.de/2012/09/14/bitte-haben-sie-verstaendnis/.
    Eins kann ich schon mal vorneweg sagen: ich halte beide oben genannten Konstrukte für kompletten Blödsinn. Wenn man den Islam und seine Ausformungen und moralisch-gesellschaftlichen Imperative scheiße findet, hat dass wenig mit der Ethnie einer Person zu tun. Konvertiten können ebenso Arschlöcher sein (siehe Pierre Vogel). Mir geht diese Denunziation von allem was sich gegen den Islam und seine Ausformungen richtet als Rassismus wirklich auf den Keks. Im Fall von Ayaan Hirsi Ali ist dass nicht nur besonders absurd, sondern gerade zu widerlich. Kulturrelativismus sucks!

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  6. earendil

    Dann übersetze dir das halt so: Wenn du diese Gedankenwelt für groben Unfug hältst, dann wirst du das auch tun, wenn ich sie widergebe.

    Imperialistische Kriege gibt es also auch nicht mehr. Außerdem ist Antirassismus sofort Kulturrelativismus. Ahja.

    Dann bin ich ja mal gespannt auf Folge 3285 von „Islamkritik ist kein Rassismus“. Obwohl: Eigentlich nicht. Denn wie du schon sagtest: Etwas wird nicht dadurch richtig, nur weil es oft gesagt wird

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